Interview mit Lisa Lindinger, Interiordesignerin und Gründerin von scandicted.interior.design, über die Einrichtung von Therapieräumen
Erfahre auf was die professionelle Interiordesignerin Lisa Lindinger bei der Einrichtung von Therapieräumen, Wartezimmern und Arztpraxen achtet.
Nicola Hammerschmied:
Liebe Lisa, als Inneneinrichterin und Interiordesignerin hast du schon einige Therapieräume, Wartezimmer und Arztpraxen eingerichtet. Wie startest Du so ein Projekt?
Lisa Lindinger:
Hallo, vielen Dank für die spannenden Fragen! Es ist eine Herzensangelegenheit für mich, Räume zu gestalten, die Menschen in sensiblen Situationen unterstützen. Gerne teile ich meine Gedanken dazu. Jedes Projekt beginnt mit Zuhören. Bevor ich auch nur an eine Farbe oder ein Möbelstück denke, möchte ich die Vision der Therapeut:innen und die Bedürfnisse ihrer Klient:innen verstehen. Es geht darum, eine Atmosphäre zu schaffen, die nicht nur professionell ist, sondern auch Vertrauen und Geborgenheit ausstrahlt. Wir definieren gemeinsam, welches Gefühl der Raum vermitteln soll – quasi die emotionale DNA des Raumes. Das ist die Grundlage für alles Weitere.
Achtest Du auf bestimmte Materialien oder Farben?
Absolut. Hier kommt unser ScandicSense-Prinzip zum Tragen: Wir verbinden skandinavische Ästhetik mit wissenschaftlich fundiertem Wohlbefinden. Ich setze auf natürliche Materialien wie Holz, Leinen oder Wolle, weil sie eine unbewusste Verbindung zur Natur herstellen und beruhigend wirken. Bei den Farben bevorzuge ich eine gedeckte, von der Natur inspirierte Palette. Sanfte Grün-, Blau- oder Erdtöne können Stress reduzieren und eine Atmosphäre der Konzentration und Ruhe fördern. Es geht nicht nur um Optik, sondern um die spürbare Wirkung des Raumes.
Nehmen wir das Beispiel Psychotherapiepraxis. Was ist Dir in diesem Setting, bei der Einrichtung des Therapieraumes, besonders wichtig?
Eine Psychotherapiepraxis ist ein Schutzraum. Hier ist das Wichtigste, eine Umgebung zu schaffen, die Sicherheit, Diskretion und eine nicht wertende Offenheit ausstrahlt. Die Sitzordnung muss so gestaltet sein, dass sie ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz ermöglicht. Nichts darf ablenken oder überfordern. Jeder Gegenstand im Raum hat die Aufgabe, eine Botschaft zu senden: „Hier bist du sicher. Hier darfst du sein, wie du bist.“
„Kunst im Wartezimmer oder im Therapieraum ist weit mehr als Dekoration.“
Wie unterscheidet sich die Einrichtung von Therapieräumen von privaten Wohnräumen?
Private Wohnräume, wie Wohnzimmer oder Schlafzimmer, spiegeln die Persönlichkeit ihrer Bewohner:innen wider – sie sind voller persönlicher Erinnerungen und individueller Vorlieben. Ein Therapieraum hingegen muss ein neutraler, aber dennoch warmer Ort sein. Er soll eine Projektionsfläche für die Klient:innen bieten, ohne von der Persönlichkeit der Therapeut:in dominiert zu werden. Die Funktionalität ist eine andere: Es geht nicht um Unterhaltung oder Alltagsleben, sondern darum, einen Rahmen für tiefgehende Prozesse zu schaffen.
Ab welchem Zeitpunkt sollte man die Wandgestaltung mitdenken?
Im Grunde, von der ersten Sekunde an. Die Wände sind die Leinwand des Raumes und bestimmen maßgeblich seine Grundstimmung. Farbe, Textur und eventuelle Wandkunst sind keine Dekoration, die man am Ende hinzufügt. Sie sind ein integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts, das die gewünschte psychologische Wirkung des Raumes von Anfang an unterstützt.
Nach welchen Kriterien suchst Du Wandkunst für Wartezimmer und Praxen aus?
Das ist ein entscheidender Punkt, denn Kunst im Wartezimmer oder im Therapieraum ist weit mehr als Dekoration. Sie muss eine Balance halten: zum Nachdenken anregen, aber niemals aufwühlen oder ablenken. Oft eignen sich abstrakte Kunst oder ruhige Naturmotive, die Interpretationsspielraum lassen. Gleichzeitig sehe ich ein enormes Potenzial in Kunst, die gezielt eine unterstützende Funktion erfüllt. Dein Ansatz, psychoedukative Illustrationen speziell für diese Räume zu entwickeln, trifft genau diesen Nerv. Es geht darum, für jedes Projekt die richtige Kunst zu finden. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Künstler:innen, die diese sensible Umgebung verstehen – so wie Dir –, ein echter Gewinn, weil so Werke entstehen, die eine tiefere Ebene der Kommunikation ermöglichen.
Gibt es typische Fehler, die Du in der Einrichtung von Therapieräumen häufig siehst?
Ein häufiger Fehler ist eine zu sterile, unpersönliche Einrichtung, die an ein Krankenzimmer erinnert und Distanz schafft. Das Gegenteil ist aber genauso problematisch: zu private oder überladene Räume, die von der Therapeut:in ablenken. Ein weiterer Punkt ist oft eine schlechte Beleuchtung – zu grelles Licht erzeugt Stress, zu dunkles Licht kann die Stimmung drücken. Ein durchdachtes Lichtkonzept ist essenziell.
„Schön gestaltete Räume sind eine Form der Wertschätzung – gegenüber den Menschen, die sich darin aufhalten, und gegenüber den Prozessen, die darin stattfinden“
Welche Trends siehst Du aktuell in der Gestaltung von Praxis- oder Therapieräumen?
Der größte Trend ist sicherlich die Biophilie – das bewusste Integrieren von Naturelementen. Das geht weit über eine einzelne Pflanze hinaus und umfasst Materialien, Formen und Licht. Nachhaltigkeit wird ebenfalls immer wichtiger. Zudem geht der Trend weg von rein funktionalen Räumen hin zu Orten, die alle Sinne ansprechen. Ein weiterer spannender Trend ist, dass Kunst eine aktivere Rolle einnimmt. Sie ist nicht mehr nur Schmuck, sondern wird zum Werkzeug – etwa durch psychoedukative Illustrationen, die Klient:innen subtil unterstützen können.
Haben Sie Tipps für Therapeut:innen mit kleinem Budget, die ihren Raum trotzdem stimmungsvoll und professionell gestalten wollen?
Unbedingt! Man muss kein Vermögen ausgeben. Mein erster Tipp: Entrümpeln. Schaffe Klarheit und Ruhe. Investiere dann in ein gutes Beleuchtungskonzept mit dimmbaren, warmen Lichtquellen. Hochwertige Textilien wie Vorhänge, Teppiche, Kissen oder eine Decke können einen Raum sofort gemütlicher machen. Eine einzelne Wand oder sogar alle in einer beruhigenden Farbe zu streichen, hat ebenfalls eine enorme Wirkung. Und zuletzt: Eine oder zwei echte, pflegeleichte Pflanzen bringen sofort Leben in den Raum.
Zum Schluss möchte ich Sie noch fragen: Welchen Mehrwert haben schön gestaltete Räume ganz allgemein – und was bringen uns Deiner Meinung nach ästhetisch ansprechend eingerichtete Therapieräume, Wartezimmer und Arztpraxen?
Schön gestaltete Räume sind eine Form der Wertschätzung – gegenüber den Menschen, die sich darin aufhalten, und gegenüber den Prozessen, die darin stattfinden. Ein ästhetisch ansprechendes Wartezimmer kann Ängste lindern, bevor das Gespräch überhaupt beginnt, im besten Fall schon beim Betreten der Praxis! Ein gut gestalteter Therapieraum unterstützt den therapeutischen Prozess, indem er Sicherheit und Konzentration fördert. Letztendlich schaffen wir Räume, die verstehen, was Menschen brauchen. Sie sind nicht nur Kulisse, sondern aktive Mitspieler auf dem Weg zu mehr Wohlbefinden. Und wenn dann die Kunst an der Wand nicht nur ästhetisch ist, sondern eine unterstützende Botschaft trägt, wird der Raum zu einem echten Verbündeten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Lisa Lindinger ist Interiordesignerin und Gründerin von scandicted.interior.
design.
Neben Wohnräumen gestaltet sie die Einrichtung von Therapieräumen, Wartezimmern und Arztpraxen. Ganzheitlich und feinfühlig erschafft sie so echte Wohlfühlräume basierend auf dem ScandicSense- Prinzip.
Nicola Hammerschmied ist Illustratorin, Designerin und Gründerin von FineArtNicola.
Für ihren Shop illustriert sie achtsame Raumkunst für Therapieräume, Wartezimmer und Arztpraxen. Zudem erarbeitet sie künstlerische Infografiken und Illustrationen zu Mental Health Themen und mehr.








